1987 wurde ich geboren und bin zusammen mit meinem jüngeren Bruder und meinen Eltern in einem niederrheinischen Dorf aufgewachsen.
Die Trennung meiner Eltern, während meiner Grundschulzeit, brachte Herausforderungen mit sich. Den Verlust von Nähe. Das Ausbrechen starker Gefühle, die ich versuchte unter Verschluss zu halten, um keine zusätzliche Belastung zu sein. Das Mitübernehmen von Fürsorge und Haushaltsaufgaben, um nur einige Beispiele zu nennen.
Zum Abschluss meiner Realschulzeit stand für mich fest, dass ich unbedingt einer Tätigkeit nachgehen möchte, die mit Kindern zu tun hat. Okay, irgendwas mit Tanzen stand auch noch im Raum, aber die anderen Optionen wirkten doch bodenständiger und realistischer.
Mein Weg führte mich 2003 zur Ausbildung als Erzieherin, und während meiner beruflichen Laufbahn sammelte ich Erfahrungen und baute einen umfangreichen Wissensschatz auf.
Als ich 2007 meinen Herzensmenschen traf, wurde Dinslaken angrenzend zu Oberhausen und Duisburg meine neue Heimat.
Um beruflich mehr Einfluss auf den Kita-Alltag zu nehmen, absolvierte ich eine Zusatzausbildung zur “staatlich anerkannten Heilpädagogin”. Mit diesem Abschluss half ich beim Aufbau einer neuen Kita zunächst als Gruppenleitung, später auch als stellvertretende Leitung.
Es kam einiges zusammen. Ich ging ständig beruflich wie privat über meine Grenzen. Ich hatte keinen Schimmer von Selbstfürsorge, kannte meine Bedürfnisse nicht und tat nichts bewusst zu dessen Erfüllung. Zudem brachen unbehandelte und versteckte Seelenwunden aus meiner Kindheit auf. Meinem Partner ging es nach dem großen Verlust eines sehr wichtigen Menschen lange nicht gut und bekam die Diagnose einer Depression. Die Arbeit, der ich mit viel zu hohen Ansprüchen und Perfektionismus begegnete, gepaart mit dem Dauerzustand an Personalmangel, zollte ihren Tribut. All das führte bei mir zu einem Erschöpfungssyndrom.
Eine Verhaltenstherapie, eine Rehabilitation, das Kennenlernen meiner Bedürfnisse, Strategien für Selbstfürsorge und Zeit brachten mich wieder zurück in ein Leben, das ich von da an sehr viel bewusster gestaltete und wieder genießen konnte.
Mein Lebensmittelpunkt verschob sich. Ich arbeitete wieder in einer Kita, aber nicht mehr in Vollzeit. Das tat mir gut und ließ genug Raum für vieles, was essentiell war, damit es mir gut ging.
Gleichzeitig konnte ich meine Werte nicht wirklich ausleben, die ich mir für meine Arbeit rauspoliert hatte. Für vieles, was mir in der Begleitung von Kindern und in der Zusammenarbeit mit Sorgeberechtigten wichtig geworden war, hatte ich im Kita-Alltag kaum Möglichkeiten zur Umsetzung.
Doch dann kam unser Sohn 2018 zur Welt. Eine neue verantwortungsvolle Aufgabe, eine neue Rolle, in die ich rein wachsen durfte und so unglaublich viele Gefühle, denen ich nun bewusst mehr Raum gab. Ich dachte, ich wäre mit meinen Vorkenntnissen gut vorbereitet, doch es gab noch soooooo viel zu lernen:
Um nur ein paar Punkte zu nennen:
Was wahrscheinlich die meisten Eltern erleben, ich lernte…
- die für mich bedingungsloseste Form von Liebe kennen
- die Zeichen und das Verhalten meines Babys zu deuten
- mit wenig Schlaf auszukommen
- was für ein Privileg es war, alleine zur Toilette gehen zu können 😉
- dass ein aufgeräumtes Zuhause nicht mehr zu den ersten Prioritäten gehörte
- dass wann immer ich das Gefühl hatte: “Jetzt hast du einen Plan, der funktioniert.”, sich Gegebenheiten änderten und der Plan wieder neu angepasst werden musste
Ich lernte außerdem:
- was bedürfnisorientierte Elternschaft ist und fragte mich, warum das nicht Teil meiner Ausbildung war
- Missstände kennen, wie das Patriarchat und wo es sich überall in unseren Köpfen versteckt
- dass Kinder und Familien in unserer Gesellschaft mehr gesehen werden müssten
- dass ich vor meiner Elternschaft, Selbstbestimmung nie richtig zu schätzen wusste
- meine Wut kennen, ein Gefühl, dass ich vorher unbewusst wohl immer unterdrückt habe
- hinter dem Verhalten meines Kindes seine Bedürfnisse zu erkennen
- meine Gefühle bewusst zu fühlen und mit viel Empathie zu begleiten
- in Fortbildungen, was die gewaltfreie Kommunikation wirklich ist und fragte mich erneut, warum sie nicht zu den Basics meiner Ausbildung oder sogar meiner Schulzeit gehörte
- mit meinem Partner Strategien zu entwickeln, um uns als Paar nicht aus den Augen zu verlieren
- was es mit dem nigerianischen Sprichwort auf sich hat: “Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen.”
Mir war es wichtig, unseren Sohn nicht so früh in die Fremdbetreuung zu geben, aber ich wollte und musste nach meiner Elternzeit wieder ins Berufsleben starten.
Also entschied ich mich, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Ich eröffnete bei uns Zuhause eine Kindertagespflege in Kooperation mit dem Jugendamt Dinslaken. Dabei begleitete ich nicht nur meinen eigenen heranwachsenden Toddler, sondern auch zusätzlich zwei weitere Kinder bis zu ihrem Kitastart mit drei Jahren.
Die Begeisterung für Themen wie bedürfnisorientierte Elternschaft, gewaltfreie Kommunikation und die enge Zusammenarbeit mit den Eltern meiner Tagespflegekinder führten mich in die Erwachsenenbildung. Der Wunsch, Eltern mit meinem Wissen und meinen Erfahrungen zu unterstützen, wuchs, und daraus entstand “Die BedürfnisDetektivin”.
Der Begriff “BedürfnisDetektivin” ist bei uns im Familienalltag nicht nur ein Name, sondern ein gelebtes Prinzip. Ob wir die emotionalen Ausbrüche unseres Sohnes begleiten oder gemeinsame Familienzeit planen, wir schlüpfen in die Rolle von BedürfnisDetektiven und erforschen, welche Bedürfnisse gerade im Fokus stehen. Im Anschluss entwickeln wir gemeinsam Pläne, wie wir diesen Bedürfnissen gerecht werden können und wer welche Beiträge dazu leisten kann. Ein liebevoll gepflegtes Ritual in unserem Alltag.
Heute biete ich nicht nur Beratung für Eltern an, sondern wirke auch bei Projekten mit. Beispielsweise bei “Elterntalk”, das vom Land NRW ins Leben gerufen und vom Jugendamt Dinslaken vermittelt wird. Als Moderatorin von “Elterntalk” gestalte ich einmal im Monat den Austausch über Familienthemen für Eltern.
Gleichzeitig leite ich einen Miniclub der Fabi Voerde, in dem Eltern mit ihren Kindern im Alter von 1,5 Jahren bis zum Kita-Eintritt miteinander in Kontakt kommen sowie Spiel- und Bastelanregungen, Rat, Austausch und Inspiration finden.